Internationale Vorbereitungsklassen am Theodor-Fliedner-Gymnasium

Faith und Mariia vor dem Weihnachtsbaum auf dem Schulhof des Theodor-Fliedner-Gymnasiums, wo sie über ihre Erfahrungen in den internationalen Klassen berichten. Foto: kh
Faith und Mariia vor dem Weihnachtsbaum auf dem Schulhof des Theodor-Fliedner-Gymnasiums, wo sie über ihre Erfahrungen in den internationalen Klassen berichten. Foto: kh

Faith und Mariia berichten von ihren Erfahrungen, Herausforderungen und Erfolgen

Das Theodor-Fliedner-Gymnasium (TFG) in Kaiserswerth bietet ein besonderes Programm: internationale Vorbereitungsklassen. Ziel ist es, leistungsstarke Jugendliche, die oft erst kurz in Deutschland sind, sprachlich und fachlich auf das deutsche Schulsystem vorzubereiten und ihnen eine besondere Perspektive zu eröffnen.
Das Programm umfasst die Klassenstufen 9 und 10. Deutsch wird mit acht Wochenstunden intensiv unterrichtet, während alle anderen Fächer nach dem regulären Lehrplan vermittelt werden. Nach der 10. Klasse können die Jugendlichen den Mittleren Schulabschluss erwerben und bei entsprechenden Leistungen in die gymnasiale Oberstufe wechseln.
Das Programm besteht seit über 40 Jahren. Es begann als Fördergruppe für Spätaussiedler und hat sich zu einem flexiblen Konzept für internationale Schüler entwickelt, das auch kurzfristige Krisen, wie 2022 die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge, bewältigt.
Der NORDBOTE.de berichtete ausführlich darüber:
Vom Ankommen zum Abitur: Internationale Lerngruppen am Theodor-Fliedner-Gymnasium

Ergänzend durfte der NORDBOTE nun mit zwei Schülerinnen sprechen, Faith und Mariia, die aktuell das erste Jahr der gymnasialen Oberstufe besuchen (Jahrgangsstufe 11 / EF) und zuvor die internationalen Vorbereitungsklassen am TFG durchlaufen haben.

Bitte stellt euch den Lesern kurz vor.

Faith: Ich bin 17 Jahre alt und kam vor 2 1/2 Jahren aus Ghana nach Deutschland. Meine Muttersprache ist Twi, außerdem spreche ich Französisch, die Amtssprache Ghanas. Deutsch konnte ich bei meiner Ankunft noch nicht. Mit meinem Vater und meiner Schwester lebe ich hier. Meine Schwester kam vor vier Jahren aus Ghana hierher, mein Vater lebt bereits seit 36 Jahren in Deutschland.
Mariia: Ich bin 18 Jahre alt und kam vor 2 1/2 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland. Meine Muttersprachen sind Russisch und Ukrainisch. Auch ich hatte keine Deutschkenntnisse, als ich nach Deutschland kam. Mit meinem Vater lebe ich in Deutschland. Zuerst haben wir in einem Hotel in Angermund gewohnt, seit zwei Jahren wohnen wir in Lintorf.

Wie seid ihr auf die internationalen Vorbereitungsklassen am TFG aufmerksam geworden?

Faith: In Ghana hatte ich die 9. Klasse abgeschlossen. Anschließend habe ich ein Jahr lang intensiv Deutsch gelernt. Eine Freundin empfahl mir das Programm am TFG. Der Aufnahmeprozess war anspruchsvoll: Meine Zeugnisse wurden geprüft und meine Deutsch- sowie Englischkenntnisse getestet.
Mariia: Ich wurde durch einen Nachbarn auf die internationalen Klassen aufmerksam gemacht. Er arbeitete selbst am TFG und informierte mich über diese Möglichkeiten.

Wie war der Start in der internationalen Klasse für euch?

Faith: Ich konnte direkt in der 10. Klasse mit Förderschwerpunkt Deutsch starten. Das war nicht leicht, da ich damals das Sprachniveau B1 hatte und der Unterricht auf dem höheren Sprachniveau B2 stattfand. Besonders schwierig fand ich die deutschen Artikel – das gibt es in meiner Muttersprache nicht.
Mariia: Ich habe am TFG im Frühjahr 2022 in der Willkommensklasse begonnen und konnte danach sehr schnell in die internationale Vorbereitungsklasse 9 übergehen. Und ja, das Schwierigste an der deutschen Sprache sind wirklich die Artikel, da muss man viel lernen. Die Lehrer haben uns sehr unterstützt, ich habe mich sehr wohl gefühlt. In den internationalen Klassen sollen wir uns wie in normalen Klassen fühlen, nicht wie eine Sonderklasse. Man bekommt ja auch ähnliche Aufgaben und nutzt die gleichen Bücher.

Wie habt ihr die internationale Klasse erlebt?

Beide: Die Lehrer sind sehr wichtig, sind sehr engagiert und geben sich sehr viel Mühe. Alle sind sehr nett und hilfsbereit. Man merkt, dass sie ihre Arbeit lieben und die Schüler auch. Man kann immer mit ihnen sprechen und sie fragen. Unseren Lehrern können wir über Moodle (Lernplattform für Bildungseinrichtungen) jederzeit Nachrichten schicken. Unsere Klasse war toll. Viele unterschiedliche Kulturen und Interessen sind zusammengekommen. Wir haben alle miteinander Freundschaft geschlossen, niemand ist einsam geblieben. Wir hatten viel Spaß miteinander.

Gab es ein Angebot, das für euch besonders wichtig war?

Mariia: Die Elterninitiative des TFG hat meinem Vater und mir sehr geholfen, eine Wohnung und Arbeit zu finden. Diese Unterstützung war sehr wertvoll für uns.
Faith: Die Förderstunden in Mathe waren für mich entscheidend. Obwohl ich in Ghana die 9. Klasse abgeschlossen hatte, lag mein Wissensstand eher auf dem Niveau der 7. Klasse. In kleinen Gruppen konnten wir mit unserem Fachlehrer gezielt Fragen klären.

Wie stehen Unterricht in der internationalen Klasse und in Regelklassen zueinander?

Mariia: Ich hatte immer ein gutes Gefühl, wie eine normale Klasse, nicht wie eine Sonderklasse. Die Wahldifferenzierung in der 9. und 10. Klasse machen internationale Klasse und Regelklassen gemeinsam.
Faith: Im 2. Halbjahr der 10. Klasse haben wir den gleichen Unterricht gehabt wie die Regelklassen und die gleiche Prüfung am Schuljahresende. Alle 20 Schüler aus meiner internationalen Klasse haben die Prüfung geschafft, wir haben richtig gute Noten bekommen.

Auf welche Leistung seid ihr besonders stolz?

Mariia: Besonders stolz bin ich darauf, im Bundesfinale „Jugend debattiert in Sprachlerngruppen“ den ersten Platz errungen zu haben. Bei Debattierwettbewerben und deren Vorbereitung hatten wir immer interessante Themen, aus der Politik beispielsweise. Jetzt mache ich Schulungen im Debattieren für Achtklässler. Das macht mir auch viel Spaß.
Faith: Das Debattieren hat mir ebenfalls viel Spaß gemacht. Wir hatten viel Spaß in der Klasse und haben viel geredet. Es hat mir geholfen, mein Deutsch zu verbessern und selbstbewusster zu werden.

Wie viele Schülerinnen und Schüler sind aus eurer Klasse in die Oberstufe gewechselt?

Beide: In der EF (Jahrgangsstufe 11) sind wir insgesamt etwa 140 Schülerinnen und Schüler. 20 Schüler waren zuletzt in unserer internationalen Klasse. 19 davon gehen jetzt mit uns in die EF (Jahrgangsstufe 11). Es gibt eigentlich keinen Unterschied zwischen den Schülerinnen und Schülern aus den Regelklassen und aus der internationalen Klasse. Höchstens ein bisschen, was die deutsche Sprache betrifft.

Wie unterscheidet sich der Schulalltag in Deutschland von dem in euren Herkunftsländern?

Mariia: Der Schulstoff in der Ukraine unterscheidet sich stark vom deutschen. Dort mussten wir ebenfalls viel auswendig lernen, während der Unterricht hier analytischer und interaktiver ist. In der Ukraine war der Umgang mit Lehrern sehr hierarchisch – Fragen zu stellen war unüblich, und wer etwas nicht verstanden hat, musste sich selber darum kümmern. In Deutschland dagegen begegnen sich Lehrer und Schüler auf Augenhöhe, und man darf jederzeit nachfragen. Das gefällt mir sehr. Auch die Hausaufgaben sind hier weniger umfangreich. Übrigens war ich 1 1/2 Jahre lang parallel in der deutschen Schule und im Online-Unterricht der Ukraine, um dort die 10 Schuljahre abzuschließen.
Faith: In Ghana lag der Fokus stark auf Sprachen und Naturwissenschaften, die dort als ein Fach unterrichtet wurden. Vieles musste auswendig gelernt werden. Den Abschluss der 9. Klasse habe ich in Ghana gemacht, eine zentrale Prüfung, die wirklich schwierig war. Im Vergleich dazu finde ich den Unterricht in Deutschland einfacher.

Was würdet ihr anderen Schülerinnen und Schülern, die in einer ähnlichen Situation sind, mit auf den Weg geben?

Mariia: Seid selbstbewusst und habt keine Angst! Der Anfang ist nicht einfach, aber man gewöhnt sich an das Schulprogramm. Fehler gehören dazu, und es ist völlig in Ordnung, welche zu machen. Vor allem sollte man sich trauen, mündlich mitzuarbeiten.
Faith: Am TFG wird man außergewöhnlich gut unterstützt. Wir haben sehr viele Deutschstunden und lernen viel und ohne Druck – das hat uns sehr motiviert. Meine Freundinnen, die auf anderen Gymnasien sind, haben deutlich weniger Deutschunterricht und lernen nicht so intensiv.

Worin unterscheidet sich der Alltag in Deutschland von dem in euren Herkunftsländern am meisten?

Faith: Der Unterschied ist groß – in der Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und vor allem in der Bildung. In Ghana gibt es nur begrenzte Möglichkeiten zu studieren, und Studienplätze werden oft nicht nach Leistung, sondern über Beziehungen vergeben. In Deutschland ist der öffentliche Nahverkehr sehr unzuverlässig. Ich kam häufig zu spät zur Schule. Es wird zwar viel gebaut, aber oft hat das kaum sichtbare Fortschritte.
Mariia: Der Alltag in der Ukraine ähnelt dem in Deutschland, zumindest was Gebäude, Infrastruktur und Essen betrifft. In Deutschland gibt es sehr viel Bürokratie. Auch die vielen Baustellen sind auffällig, oft bleibt zudem unklar, warum überhaupt gebaut wird. Ich schätze die Möglichkeiten, die es hier für Schüler gibt. Ich arbeite neben der Schule in einer Bäckerei und mag diese Arbeit.

Was hat euch hier besonders überrascht oder erstaunt?

Faith: In Deutschland ist es auf den Straßen angenehm ruhig, das gefällt mir sehr. Die Weihnachtszeit ist in Deutschland besonders schön, die viele Dekoration, die Weihnachtsatmosphäre, die Weihnachtsmärkte.
Mariia: Weihnachten ist auch mein Lieblingsfest. Die Stimmung und die vielen Lichter in der Adventszeit wirken einfach magisch und zauberhaft.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Faith: Ich möchte Medizin studieren und Kardiologin werden. Später mit einer NGO nach Afrika gehen, um herzkranke Kinder zu operieren.
Mariia: Ich möchte ebenfalls studieren, weiß aber noch nicht genau, in welchem Bereich. Mich interessieren besonders Gesellschaftswissenschaften.

Herzlichen Dank euch beiden für das Gespräch. Wir wünschen euch alles Gute für eure Zukunft!

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