Der mittelalterliche Orden
Die Lebensweise des von St. Bruno (ca. 1030–1101) gegründeten Ordens der Kartäuser war gemeinschaftlich-eremitisch und besitzlos. Sie gelobten Schweigen und suchten für ihre Klosterstandorte (Kartausen) die Einsamkeit. Die erste Niederlassung des Ordens war in Chartreuse (daher der Name Kartäuser) in einem abgelegenen Gebirgstal in Frankreich (bei Grenoble). Weltweit gab es im Laufe der Jahrhunderte zeitweise Hunderte Niederlassungen, die meisten in Frankreich. Anlässlich der Säkularisation 1803 wurden alle Kartäuserklöster in Deutschland aufgelöst.
Rückkehr nach Deutschland
In den 1860er Jahren suchten französische Kartäuser wieder einen Standort in der Nähe von Köln, dem Geburtsort von St. Bruno. Fündig wurden sie in dem damals wenig besiedelten Gebiet im Dreieck der damaligen Gemeinden Eckkamp, Lohausen und Rath. 1869 konnten sie das Rittergut Haus Hain mit zwei Quadratkilometern Land erwerben. Die preußischen Behörden genehmigten den Bau einer Klosteranlage mit Auflagen, wie zum Beispiel keinen Kartäuserlikör und andere geistigen Getränke herzustellen und zu verkaufen und keine gottesdienstlichen Einrichtungen für außerklösterliches Publikum zu schaffen.
Missglückter Start
Mit den Bauarbeiten wurde zügig begonnen. Die ersten Patres (Priestermönche) zogen schon im gleichen Jahr nach Unterrath. Die erste Messe in der Kartause wurde in der Kapelle des Hauses Hain am 18. September 1869 gelesen. Aber schon nach wenigen Jahren begannen unruhige Zeiten für die Kartäuser. Im Zuge des „Kulturkampfes“ der katholischen Kirche mit der preußischen Regierung mussten alle Klosterbewohner, die nicht die preußische Staatsbürgerschaft hatten, das Deutsche Reich verlassen. Nach einigem Hin und Her war die Klosteranlage ab 1. September 1875 verwaist. Die Bauarbeiten wurden eingestellt, das Inventar verschenkt oder verkauft. Die Anlage verfiel, auch wegen schwerer Stürme und Überschwemmungen in den Jahren 1877/78.
Neubeginn nach Ende des Kulturkampfes
In den 1880er Jahren entspannte sich das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und der preußischen Regierung. Die Patres kamen nach und nach zurück. Die Fortsetzung der Bauarbeiten und die Wiedereröffnung der Kartause war ein langwieriger Prozess von Genehmigungen und Berichten an die verschiedenen staatlichen und kirchlichen Behörden und Instanzen, der bis August 1890 dauerte. Erst jetzt konnte die Kartause Maria Hain baulich und nach den Regeln des Ordens fertiggestellt und entwickelt werden. Für jeden Mönch war ein zweigeschossiges Haus mit Schlaf- und Arbeitsraum sowie Küche vorgesehen, wenn auch sehr einfach eingerichtet. Nur mit Klosterangehörigen, die nicht die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft hatten, gab es noch Probleme.
Verluste im Ersten Weltkrieg
Zum Kriegsdienst wurden 22 Klosterangehörige eingezogen. Einige wurden verletzt, zwei fielen. Französische Kriegsgefangene arbeiteten in den Klostergärten und auf den Feldern. Bei starkem Frost am 22. Januar 1917 verursachte ein Brand große Schäden, insbesondere an der Klosterkirche und am Schloss des ehemaligen Rittersitzes. Eine Glocke in der fertiggestellten Kirche ging dadurch verloren, eine weitere musste an die Militärverwaltung abgeliefert werden. Die Bauschäden konnten zügig behoben werden. Die Stadt Düsseldorf stellte 50 Soldaten für Aufräumarbeiten zur Verfügung.
Wohltätigkeit rückt in den Vordergrund
Zum Ende des Ersten Weltkriegs und mit steigender Arbeitslosigkeit war das soziale Engagement der Kartäuser sehr gefragt. Die Armenspeisung und Almosenausgabe an der Pforte hatte schließlich einen so großen Umfang, dass ein wesentlicher Teil der Einkünfte und Erträge der Kartause dafür verwendet wurde. Um dieses soziale Engagement zu stärken und nicht durch Steuerzahlungen zu schwächen, wurde die bisher als „Privatunternehmen“ geführte und voll steuerpflichtige Kartause in einen gemeinnützigen und wohltätigen Verein eingebracht. Die drohende Besetzung durch den Arbeiter- und Soldatenrat und eine Beschlagnahme durch die französische Besatzung konnte abgewendet werden.
Große Herausforderungen durch NS-Herrschaft und Zweiten Weltkrieg
Schon der sich abzeichnende Zweite Weltkrieg, und der Krieg selbst noch viel mehr, stellte die Kartäuser vor neue Herausforderungen. Ein Luftschutzbunker musste geschaffen werden. Die angeordneten Verdunklungen veränderten den Tagesablauf. Luftschutzübungen waren durchzuführen. Vegetarisches Essen war nicht mehr möglich, da bereits ab 1933 in allen pflanzlichen Fetten, auch Margarine, aus Mangel an Pflanzenöl Tierfett beigemischt wurde.
Junge Klosterangehörige wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Es gab Einquartierungen des Reichsarbeitsdienstes, von Kraftfahrerkolonnen, der Nachrichtentruppe und Soldaten des zum Fliegerhorst umgewandelten Verkehrsflughafens. Damit kamen auch Frauen in die geschlossene Klosteranlage, was nicht dem Reglement einer Kartause entsprach. Im Laufe der weiteren Kriegsjahre kamen französische Kriegsgefangene ins Kloster. Bei Luftalarm suchten Anwohner Schutz in der Kartause. Nach den verstärkten Luftangriffen auf Düsseldorf ab 1942 mussten ausgebombte und obdachlos gewordene Familien samt ihren Habseligkeiten untergebracht werden. Die 1943 an der Kaiserstraße ausgebombten Klarissen fanden ebenfalls Unterschlupf bei den Kartäusern in Unterrath. In diesem Menschengewirr schafften es die Kartäuser 1944, drei verfolgte Juden zu verstecken. Im April 1945 wurde unter Artilleriebeschuss der bereits am Rhein angekommenen US-Armee ein Kind in der Kartause geboren. Die Brüderkapelle der Kartäuser wurde zur Pfarrkirche von St. Gertrudis einer nahegelegenen Siedlung. Auf die Kartause fielen keine Bomben, die umliegenden Gehöfte und vor allem der nahegelegene Fliegerhorst dagegen wurden wiederholt und schwer getroffen. Es dauerte Jahre nach Kriegsende, bis sich das Leben in der Kartause wieder normalisierte und kriegsgefangene Mitglieder heimkehrten.
Suche nach einem neuen Standort für eine Kartause
Nach diesen turbulenten Jahren in der Nähe einer prosperierenden Großstadt, mit immer näher heranrückendem Siedlungsbau, Gewerbebetrieben und dem Ausbau des Flughafens, gingen die Kartäuser schon ab 1948 auf die Suche nach einem neuen Domizil in ruhigerem Umfeld. Sie erwarben 1954 das Gut Kaltenborn in der Nähe von Dörrebach bei Stromberg im Hunsrück. Nach einem Brandschaden dort, bevor die ersten Patres eingezogen waren, kauften sie den Veserhof bei Bad Wurzach im Allgäu (Kreis Ravensburg) und bauten ihn zur Kartause Marienau aus. Der Umzug erfolgte in den Jahren 1963 und 1964. Die Überreste ihrer Toten nahmen sie mit. Mit Sprengungen am 15. Dezember 1964 wurden die Unterrather Klosteranlagen niedergelegt und abgeräumt.
Was von den Kartäusern blieb
Verschont blieben zunächst einige der Obstbäume im Klostergarten. Neben guten und dankbaren Erinnerungen an die Wohltätigkeit ihrer klösterlichen Nachbarn blieb somit den Anwohnern auch noch einige Jahre die Obsternte. Für die Kirche St. Maria unter dem Kreuze schenkten die Kartäuser eine frühmittelalterliche Kreuzigungsgruppe. Übriggeblieben sind zwischen A 44 und Wanheimer Straße auch noch einige der zehntausend Eichen, welche die Kartäuser rings um die Umfassungsmauer ihrer Kartause gepflanzt hatten, um sich gegen das zur Großstadt wachsende Umfeld abzuschirmen.
1994 wurde in dem einige hundert Meter entfernt angelegten Kittelbachpark eine Gedenkstätte mit einem Modell der Klosteranlage und einer übergroßen Skulptur eines Kartäusermönchs aufgestellt. Der Bildhauer Karl-Heinz Klein hatte sie entworfen. Finanziert wurde sie durch Spenden dankbarer Unterrather und einiger Sponsoren.
Quelle: „Matthias Wego, Maria Hain, Die wechselvolle Geschichte der ehemaligen Kartause in Düsseldorf. Verlag Butzon und Bercker Kevelae“
Dokumentarfilm: Alltag im Kartäuser-Kloster Maria Hain, 15.02.1956 ∙ WDR Retro ∙ WDR (ca. 25 Minuten)
NORDBOTE-Newsletter
Neuste Nachrichten für Düsseldorf-Nord und Duisburg-Süd, Events und Angebote jeden Dienstag- und Freitagmorgen direkt in Ihr Mail-Postfach!
Eine Antwort
Spannende Hintergrundinformationen – jetzt habe ich als zugezogene Pempelforterin einen anderen Blick auf Namen wie „Brunoschule“, „Am Hain“ etc. Und bei den Runden durch den Park / Kittelbach werde ich mir die Bronze-Denkmäler genauer ansehen. Danke.